Mehr als 20 Jahre sind es her seit unserem letzten längeren Aufenthalt in Bangkok. Die Stadt ist heute kaum mehr wiederzuerkennen.
Symbolisch dazu dieses Bild. Hochhäuser im Kontrast zum Königspalast, fotorgrafiert aus der Hochbahn Sky Train, mit der die Stadt das ständig wachsende Verkehrschaos zu bekämpfen sucht…
Wir landen auf dem erst 2006 eröffneten neuen Flughafen Bangkok Suvarnabhumi, der heute 45 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigt – er arbeitet im 24 Stunden Betrieb und allein ein Blick auf die Destinationen zeigt, dass wir hier in einer anderen Welt sind: Im Minutentakt landen Maschinen aus Kuala Lumpur, Hongkong, Singapur, Taipei, Tokio, Djakarta, Delhi…
Noch neuer als der Flughafen ist die Zugverbindung in die Innenstadt: Eine neue Zugverbindung – Railway Link genannt bringt uns innerhalb von 20 Minuten in die Innenstadt, nur wenige Stationen weiter wäre Bangkok HB, Hua Lampong.
Zu Fuss wären es von hier – Makkasan Station – etwa 20 Minuten in Hotel. Bei 30 Grad feuchter Hitze und unserem Gepäck für drei Wochen wenig zu empfehlen, zumal es bis zur nächsten Kreuzung keine Gehsteige gibt. Ich erinnere mich – 1988 war mir bewusst geworden, dass ein Gehsteig in einer Stadt keine Selbstverständlichkeit ist.
Wohl vertraut ist das Verkehrschaos. Kaum geht die Fahrt los stecken wir auch schon im Stau. Das Hotel kommt bald in Sicht – aber wir sind leider auf der falschen Strassenseite. Also noch weitere 15 Minuten Geduld.
Die Stadt hat seit unserem letzten längeren Aufenthalt einen unwahrscheinlichen Wachstumsschub erlebt und ihre Bevölkerungszahl von 5 auf 10 Millionen verdoppelt. Man stelle sich etwas ähnliches in der Schweiz vor….Zählte die Stadt damals vielleicht ein Dutzend Hochäuser so sind es heute wohl hunderte. Das zeigt schon ein erster, überwältigender Blick aus dem Hotelfenster.
Bangkok Strassen haben 24 Stunden Stau.
Und trotzdem gibt es auch ernsthafte Versuche, so etwas wie ein Nahverkehrssystem auf die Beine zu stellen: Dazu zählt neben dem erwähnten Bahnverbindung zum 30 km entfernt gelegenen Flughafen ein kürzlich eröffnete Metro-Linie sowie der am Sukhumvit verkehrende Sky Train, eine Hochbahn ,die ständig ausgebaut wird.
Dort an der Geschäftsstrasse Sukhumvit entdecken wir auch den Erawan Schrein. Wohl bekannt damals 1988 –die buddhistische Kultstätte existiert in den 50er Jahren und wurde gebaut um einer Serie von Unglücksfällen beim Bau des Erawan Hotels Einhalt zu gebieten.
Gab es 1988 einige Warenhäuser wie etwa den Central Department Store, dazu eine Handvoll Supermärkte wie etwa da Foodland so ist die Anzahl der Einkaufszentren mindestens für einen Touristen nicht zu überblicken. Ihre Dimensionen sind gigantisch und können es mit den US Kolossen aufnehmen. Wir besuchen das Siam-Paragon nicht ohne Wehmut: Hier stand früher das Hotel Siam Intercontinental mit seinem botantischen Garten…
Das Siam-Paragon beherbergt den grössten Food-Court von Bangkok und das grösste Aquarium von Südostasien. Im Siam Paragon finden wir mehr Luxusuhren-Läden als an der Zürcher Bahnhofstrasse: Rolex, Breitling, Audemar-Piguet, Cartier…alle sind sie da. Zwar sehen wir keine Kundschaft, aber Läden dieser Art leben bekanntlich nicht vom Massengeschäft. Die Luxus-Läden sind auch ein Hinweis auf die Bedeutung von Bangkok als grösste Wirtschaftsmetropole von Südostasien.
m vertrauten Ort ist auch das Hauptquartier des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), in einer Seitenstrasse der Hauptachse Sukhumvit. Die zweigeschossigen einfachen Barackenbauten wirken merkwürdig anachronistisch in dieser Hochhauslandschaft. Auch noch zu finden ist das Restaurant Heidelberg, das schon vor 20 Jahren auf die Anwesenheit zahlreicher Deutscher hingewiesen hat. Explosionsartig vermehrt haben sich rundherum die Bar und Entertainment-Betriebe mit eindeutiger Ausrichtung. Und unter den verwahrlosten Menschen an der Strasse würden sich zunehmend auch Westeuropäer finden. Wer meint, die IKRK Delegation habe nach der Repatriierung der kambodschanischen Flüchtlinge nach 1989 (sie kamen ab 1979), keine Arbeit mehr, täuscht sich: Der Süden des Landes ist – von der internationalen Aufmerksamkeit kaum beachtet – sehr unruhig und immer wieder kommt es zu Übergriffen von muslimischen Separatisten. Im Westen des Landes suchen immer wieder Flüchtlinge aus Burma Aufnahme .
Auch die Lage an der kambodschanischen Grenze im Westen ist alles andere als ruhig: Just während unseres Aufenthaltes anfangs Feburar 2011 ereignet sich rund um den Khmer Tempel von Preah Vihear ein Schlagabtausch zwischen thailändischen und kambodschanischen Truppen mit einigen Toten – mehrere Thai Dörfer mit 15 000 Einwohnern werden vorübergehend evakuiert. Der Tempel steht genau auf der Grenze zwischen den beiden Ländern, er ist seit 2008 unter Unesco Schutz. Seine exponierte Lage führt immer wieder zu Auseinandersetzungen. Auslöser war diesmal offenbar die Verhaftung einer Gruppe von Thais durch die kambodschanischen Behörden.
Nur scheinbar ruhig ist auch die innenpolitische Lage. In Thailand stehen sich zwei Gruppen gegenüber: Die ländlich ausgerichteten Rothemden mit ihrem Anführer Thaksin Shinawatra und die urban orientierten Gelbhemden. Der ehemalige Ministerpräsident Thaksin wurde trotz seines Wahlsieges 2006 abgesetzt und musste das Land verlassen. In der Folge kam es zu anhaltenden Protesten seiner Anhänger – unter anderem zu einer wochenlangen Blockade des neuen Flughafens.
Der Konflikt ist heute alles andere als beigelegt. Das beweisen nicht nur die Anhänger Thaksins, die auch heute noch im Regierungsviertel campieren. Spricht man mit Menschen in Bangkok so hört man die Befürchtung, dass der Konflikt nur vertagt sei. Die grosse Frage, die über dem Land lastet ist nämlich jene nach der Nachfolge des thailändischen Königs Bumiphol Adulyadej
Ein versöhnlicher Eindruck aus der Stadt zum Schluss:Bangkok wurde ursprünglich entlang des Chao-Phraya Flusses und seiner Kanäle, der sog.Klongs gebaut. Am Fluss liegen heute die grossen Luxushotels wie das Oriental, Shangrila – aber die Klongs haben ihren alten Charme erhalten.
Wer den Weg hierhin findet erlebt Alltag der Familien am Wasser und spaziert an Küchen und Wohnzimmern vorbei – ein Leben, das sich in einer anderen Zeit und auf einem anderen Planeten abzuspielen scheint.
Zur Zukunft Thailands ein lesenswerter Artikel aus dem Economist vom März 2010. Tx to Urs Boegli