Amateurfotografie

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Als engagierter Amateurfotograf bin ich nicht nur fasziniert von den Möglichkeiten in Bezug auf die Aufnahme, sondeern auch in Bezug auf die Distribution. Zu den neuen Möglichkeiten gehören auch Fotoplattformen wie die Fotocommunity. Für die Neue Zürcher Zeitung vom 23.Dezember 2005 habe ich einen Beitrag zu diesem Thema verfasst.


Das Internet als Galerie für Fotoamateure
Bilder ohne Menschen für den Kontakt mit Menschen

Im Internet tun sich Amateure zusammen, um eigene Fotos mit anderen Leuten anzuschauen. Fotoplattformen existieren bereits seit Jahren, in jüngerer Zeit erleben sie aber einen Boom. Angetrieben wird er auch durch die sinkenden technischen Kosten.
Eigene Fotos gemeinsam mit anderen Leuten via Internet anschauen – das ist der Hauptzweck der sogenannten Foto-Communitys, die in den letzten Jahren entstanden sind. Fotos auf dem Internet zu publizieren, ist nichts Neues und wird auch von Privaten seit den Anfängen des World Wide Web Mitte der neunziger Jahre praktiziert; Internet-Fotoplattformen existieren seit Jahren, in jüngerer Zeit erleben sie aber einen eigentlichen Boom. Das hängt zusammen mit der raschen Verbreitung der digitalen Fotografie und von breitbandigen Internet-Verbindungen sowie den rapide sinkenden Kosten für Speicherplatz. Beispiele für solche Fotoplattformen sind die deutschsprachige Fotocommunity[1] oder amerikanische Angebote wie Flickr[2] oder Photo-Net.[3]
Lob und Tadel
Die bei Fotocommunity publizierten Fotos sind für alle frei zugänglich, mit Ausnahme der Aktfotos, die den zahlenden Mitgliedern vorbehalten sind. Wer sich registriert, darf kostenlos eine beschränkte Anzahl von Bildern hochladen, typischerweise ein Bild pro Woche. Ist man einmal registriert, sind zahlreiche ausgeklügelte Funktionen zugänglich. Dazu gehört neben dem Upload in erster Linie die Möglichkeit, eigene Bilder kommentieren zu lassen und selber Kommentare abzugeben: «Klasse, gelungen, eine tolle Foto», heisst es dann etwa. Auch Kritik ist zu hören, die sich vielfach um technische Einstellungen dreht: Weissabgleich, Schärfe oder Belichtung.
Ein grosser Teil der Mitglieder verwenden keine Pseudonyme, sondern ihre richtigen Namen. Anonymität ist hier nicht wichtig, im Gegenteil. Jeder Kommentar lässt sich via Profil zurückverfolgen. Dort wiederum finden sich in der Regel ein Porträt des Fotografen oder der Fotografin zusammen mit einem Einführungstext, der seinerseits oft auch bereits kommentiert wird, und das Fotoalbum des betreffenden Mitglieds: «Nachdem ich fast alle Bereiche der Fotografie ausprobiert habe, bin ich nun bei Sport, Nachtaufnahmen, Tieren und Architektur hängen geblieben. In fast jeder freien Minute geht’s raus auf die Suche nach Motiven.» Mehr Platz gibt es für zahlende Gäste. Die Preise schwanken dabei je nach Volumen zwischen 3 Euro 50 und 11 Euro 50 Euro pro Monat. Viele der zahlungspflichtigen Aktbilder stammen offensichtlich von Profifotografen und sind im Studio aufgenommen. Pornographie ist hier nicht zu finden.

6000 neue Bilder pro Tag

Die Geschichte der deutschsprachigen Fotocommunity liest sich als Erfolgsstory. Gegründet wurde sie im Jahr 2001 vom Bonner Marketing- Fachmann und Unternehmer Andreas Meyer. Der Hobbyfotograf verfolgte ursprünglich keine grossen Pläne, er wollte einfach sich selber und anderen Fotografen eine Möglichkeit zum Austausch geben. Heute droht sein Projekt ein Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Insgesamt sind nicht weniger als 2,1 Millionen Fotos von 240 000 eingetragenen Benutzerinnen und Benutzern online verfügbar. 5000 bis 6000 neue Bilder werden pro Tag hochgeladen, und im gleichen Zeitraum melden sich rund 400 neue Mitglieder an. Für das Hochladen sind keinerlei Kenntnisse erforderlich, abgesehen vielleicht von der Fähigkeit, die Dateigrösse eines Bildes aus der Digitalkamera zu reduzieren. Die Fotocommunity scheint sich auch in der Schweiz einer wachsenden Beliebtheit zu erfreuen; Schweizer Städte tauchen im Register der eingetragenen Mitglieder immer wieder auf.
Die wichtigste Zahl jedoch, so erklärt Andreas Meyer im Gespräch, sind die 40 000 bis 50 000 Kommentare, die jeden Tag neu dazukommen. Eine ähnlich hohe Zahl von Botschaften wird zudem zwischen den Benutzern direkt ausgetauscht. Ein solches Volumen lässt sich nicht mehr ohne professionell ausgebaute Infrastruktur verarbeiten. Im Hintergrund arbeiten gegen 30 Server, welche die immense Zahl von Anfragen bewältigen. Ein Hobbyprojekt ist die Fotocommunity längst nicht mehr.
Meyer lässt sich zwar nicht in die Finanzen blicken, gibt aber doch folgende Informationen preis: Die Finanzierung des Projekts wird aus drei Quellen gespeist. Erstens durch die zahlenden Mitglieder, zurzeit sind das nach Meyers Angaben zehn Prozent, also etwa 24 000 Personen. Zweitens bietet die Plattform einen Belichtungsservice an, und drittens kommen Werbeeinnahmen dazu. Umsatzzahlen gibt das Unternehmen keine bekannt, hält aber fest: «Wir sehen die Einkünfte durch unsere User als unser wichtigstes Standbein an.» Das Wachstum des Projekts ist nicht nur positiv: «Wenn wir mit der steigenden Nachfrage nicht mithalten können, kollabiert unser System, und wir sind nicht mehr erreichbar», erklärt Andreas Meyer, «und ein technischer Kollaps wäre dann auch einer für unser Geschäftsmodell.»
Originelle Suchfunktion
Die Fotocommunity von Andreas Meyers ist längst nicht die einzige solche Plattform. Vor allem im englischsprachigen Raum existiert eine Vielzahl von ähnlichen Projekten. Dazu gehören etwa die bereits genannten Flickr und Photo-Net, aber auch Dienste wie Webshots[4] oder Fotolog.[5] Die amerikanische Plattform Flickr, die auch für europäische Interessenten zugänglich ist, verfolgt eine leicht andere Ausrichtung und ermöglicht zusätzlich geschlossene Gruppen. Flickr verfügt über eine originelle Suchfunktion: Die Benutzer wählen für jede Foto selber definierte Deskriptoren, sogenannte Tags. Anhand dieser Deskriptoren lassen sich dann Bilder sehr schnell suchen.
Wer macht bei solchen Communitys mit, und aus welchen Gründen tut er oder sie dies? Die Suche nach Publikum für eine Foto dürfte bei allen Plattformen eine zentrale Rolle spielen. Für ein Projekt wie die Fotocommunity kommen weitere Motive dazu: «Unsere Benutzerinnen und Benutzer wollen nicht einfach alle ihre Fotos ausstellen, sondern suchen den Austausch, sie möchten Anerkennung und Kritik und haben nicht zuletzt auch den Wunsch, mehr über die Fotografie zu lernen. Deshalb sind auch viele jüngere Fotografen und generell viele Anfänger vertreten», erklärt Andreas Meyer. Zu den gratis zugänglichen Dienstleistungen des Projekts gehören deshalb eine Anzahl von Foren zu Themen rund um Fotografie, die offensichtlich rege benutzt werden.

Keine Menschen

Projekte wie die Fotocommunity ermöglichen Austausch und Erfahrungen, wie sie vor dem Siegeszug des Internets undenkbar gewesen wären. Auffallend an den Bildern der Fotocommunity ist der hohe Anteil an Natur-, Landschafts- und Sachaufnahmen. Diese Plattform dient nicht primär dem Austausch von Bildern im Familien- oder Freundeskreis. Das mag damit zusammenhängen, dass dieses Projekt vor allem dem engagierten Amateur oder dem semiprofessionellen Fotografen eine Plattform bieten will. Interessanterweise korreliert diese Beobachtung auch mit den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung von Amateurfotografien zwischen 1880 und 1980: Auch dort zeigten 40 Prozent der Bilder keine Menschen.[6]
Dominik Landwehr
Fotocommunity Galerie von Dominik Landwehr
Fotogalerie Privat
Fotogalerie Beruflich
Temporärer Link NZZ vom 23.12.2005 – S.59
[1] www.fotocommunity.de
[2] www.flickr.com
[3] www.photo.net
[4] www.webshots.com
[5] www.fotolog.com
[6] Timm Starl: Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980. München 1995.