Alles wird besser oder Hymne an den Fragebogen

Alles wird besser. Und die Mühlen des Fortschritts bringen uns in immer neue, lichtere Höhen. Das geht natürlich nicht ohne Mühe und Arbeit und dazu braucht es auch die richtigen Instrumente. Eines davon ist der Fragebogen, Kundenumfrage, Feedback oder wie auch immer genannt. Kaum ein Unternehmen, kaum eine Institution, die nicht von diesem wunderbaren Mittel Gebrauch macht – zum Nutzen und Frommen von uns.


Verbring ich eine Nacht im Hotel, so kann ich sicher sein, dass ich in den Tagen darauf an einer Kundenumfrage teilnehmen darf. Und auch mein Internet-Magazin beglückt mich immer wieder mit scharfsinnig, klugen und weitsichtigen Fragen: Warum haben Sie unser Haus gewählt? – Wie hat Ihnen das Zimmer gefallen? – Wie war die Bedienung, das Essen? – Fragen über Fragen und gross ist die Freude meinerseits, wenn ich die einzelnen Punkte des Fragebogens abarbeite. Schön, dass die Fragenden auch mein Einkommen wissen möchten, meinen Zivilstand, die Grösse unseres Haushaltes. Ja, es könnte ja sein, dass das Unternehmen noch andere kluge und nützliche Dienstleistungen bereit hält.
Noch schöner als einen unpersönlichen Fragebogen finde ich aber das direkte Gespräch. Und so freue ich mich immer wieder über Telefonanrufe. Meist sind es Damen mit sanften und eindringlichen Stimmen, die mich zur abendlichen Stunde unterhalten möchten. Gerne stelle ich mich diesen Fragen, auch wenn mir der Grund der Anrufe nicht immer ersichtlich ist und meine Antworten nicht immer der Wahrheit entsprechen. Was mich aber besonders rührt ist die Tatsache, dass diese Anrufe oft von weit her kommen. Auf meine scheue Frage, woher denn ein bestimmter Anruf komme, habe ich auch schon die Antwort erhalten: Aus Dublin in Irland. Dass man sich dort für mich interessiert! – Ein wahres Kompliment, ich wusste nicht, dass ich so wichtig bin.
Nicht immer bin ich aber mit den Fragen glücklich. Aber was ist schon eine gute Frage? – Zum Beispiel jene Fragen, die Max Frisch 1966 in seinem berühmten Fragebogen zusammengestellt hat. Da heisst es zum Beispiel: Wem wären Sie lieber nie begegnet? – Oder: Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder halten Sie keinen für unersetzbar? Und dann: Wann haben Sie aufgehört zu meinen, daß Sie klüger werden oder meinen Sie’s noch? – Noch ein Beispiel: Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wir erklären Sie es sich, daß es dazu nie gekommen ist?
Überblicken wir diese Fragen, so können wir sicher leicht folgern: Im Bereich der Kundenumfragen ist noch Potential. In Bezug auf die Inhalte, aber auch in Bezug auf die Institutionen, die solche Umfragen machen. Von diesem Instrument könnten nicht nur Hotels, Restaurants, Verkehrsbetriebe oder Telekommmunikations-Firmen profitieren, sondern auch Kirchen, Parteien, Bestattungsämter, Gerichte und Polizeistationen. Gerne würde ich nach einer Abdankung auch befragt werden: Wie hat ihnen die Feier gefallen, die Abschiedsworte, der Blumenschmuck. Oder nach einer Operation im Spital, nach einer Verhaftung, einer Aburteilung oder einem Gefängnisaufenthalt.
Noch etwas: Wie hat Ihnen diese Kolumne gefallen? – Werden Sie meine Texte wieder lesen? – Oder überspringen Sie jeweils diesen Standpunkt, wenn Sie meinen Namen lesen? – Wen mögen Sie mehr? – Wen mögen Sie weniger? – Welche Themen sollten die Autoren aufgreifen, welche weniger?
Dieser Text erschien in der Zeitschrift „Tössthaler“ vom Samstag 15.August 2009 in der Rubrik „Standpunkt“. Copyright Dominik Landwehr Winterthur 2009

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